Schüler und Lehrer berichten...

Marius 

Ich heiße  Marius und bin am 18. September 1991 in Mannheim geboren. Ich habe drei Halbbrüder, sowie eine Halbschwester. Mein Vater ist Handwerker, meine Mutter ist Diplomsozialpädagogin. Wir leben seit 17 Jahren in Ludwigshafen. Ich würde mich selbst als sehr aufgeschlossen, tolerant und engagiert bezeichnen. Meine soziale Ader hab ich von meiner Mutter, die ja Sozialpädagogin ist. Ihre Erziehung und Wertevermittlung hat mich sehr geprägt. Schon früh hat sie angefangen über alles – gesellschaftliches und politisches - mit mir zu diskutieren. Mit neun Jahren kam ich zu den Pfadfindern, was eigentlich nur ein lustiger Zufall war. Mein Onkel brachte meinen Cousin zu seinem ersten Treffen dorthin. Der Leiter sah, dass da noch ein Junge, nämlich Ich, im Auto war und lud mich ein. So bin ich da hängen geblieben. Aus der Sicht des 9-Jährigen gefiel mir in der Gruppe in der ich war, das gemeinsame Spielen, sowie Lager. Aus heutiger Sicht finde ich es faszinierend wie aus der Idee eines einzelnen Mannes so etwas Großes wachsen kann, wie viel man als Einzelner aber auch als Gruppe verändern kann. Wenn man Pfadfinder aus anderen Ländern trifft, hat man sofort eine gemeinsame Basis von der aus man ganz leicht Freundschaften schließen kann, egal aus welchen kulturellen Hintergründen man kommt. Es gibt mehr als 41 Millionen Pfadfinder aus 216 Ländern weltweit, es ist die größte Jugendorganisation der Welt. Andorra, China, Kuba, Laos, Myanmar und Nord Korea sind die einzigen Länder, in denen es keine Pfadfinderorganisationen gibt. Toleranz und „das nicht in Grenzen denken“ sind das, was ich durch die Pfadfinder gelernt habe. 2009 war ich das erste Mal in Taizé. Es war überragend! Neben meiner Mutter und den Pfadfindern ist es das, was mich am meisten geprägt hat. Es ist ein Ort an dem sich Menschen aus aller Welt treffen und es ist unwichtig woher du kommst, sondern es zählt wer du bist. Dort findet man Zeit mit anderen Menschen aus verschiedensten Ländern und Kulturen über die wichtigen Dinge im Leben zu sprechen. Etwas, wofür man im „normalen“ Leben oft die Zeit und auch den Mut nicht findet. Wenn ich von dort nach Hause komme bin ich total geerdet, nach einer Woche ohne Internet, Handys, Alkohol. Durch die Kontakte, die ich dort gemacht habe, war ich schon in Italien, Portugal, den Niederlanden, Frankreich und Berlin. Außerdem hatte ich selbst schon Besuch aus Frankreich und Deutschland. Dort vertiefte sich mein Wunsch später Politiker auf europäischer Ebene zu werden.

 

Als ich das Peer-Educator-Projekt kennen lernte, war ich sofort neugierig. Unsere Lehrerin Frau Huhle erzählte 2006 in der Klasse, dass dieses Projekt an unserer Schule, dem Max-Planck-Gymnasium umgesetzt werden soll. Ich wusste damals noch nicht, was HIV und AIDS ist. Ich hatte große Lust darauf mich ausbilden zu lassen und mit anderen Schülern Präventionen für Schüler zu machen. Wir waren damals 12 Schülerinnen und Schüler und bildeten zwei Teams. Das Teamgebilde hat sich aufgelöst, als ein Teil in die Oberstufe kam und sie nicht mehr soviel Unterricht ausfallen lassen wollten. Die letzten vier Jahre habe ich schließlich alleine die Präventionen durchgeführt. Dadurch habe ich vor allem Selbstbehauptung vor Gruppen gelernt. Ich lernte frei zu reden, was sich vor allem für meine zukünftigen Referate auszahlte. Ich habe auch zwei Ausbildungsrunden lang neue Verhütungsexperten mit ausgebildet. Mit der Zeit baut man eine Beziehung auf zu dem was man macht. Ich fand es schön, dass andere das Interesse teilten und dass ich mein Wissen weitergeben konnte. Durch das Wissen, das vermittelt wurde, ist mein Umgang mit dem Thema und mit HIV positiven Menschen lockerer geworden. Ich weiß wie ich mich infizieren und wie ich mich schützen kann. Dadurch, dass ich es weiß, bin ich unverkrampfter im Umgang mit den Themen Sexualität, HIV und AIDS und hab keine Angst, sondern bin mir über mein Verhalten sehr bewusst. Ich weiß nicht, wie ich heute wäre, wenn ich die Ausbildung nicht gemacht hätte, mir fällt es auf jeden Fall leicht über Sexualität zu reden.

Aufgezeichnet von A.Staudt

Birgit Zachert
Lehrerin an der Graf-von-Oberndorff-Schule

 

(...) Als begleitende Lehrerin konnte ich beobachten, wie positiv sich diese Ausbildung auf unsere SchülerInnen auswirkte. Die Jugendlichen wurden zunehmend selbstsicherer und offener in der Auseinandersetzung mit der Thematik. Besonders beeindruckend ist, wie sich dieses Selbstvertrauen auch in den Workshops, die sie in verschiedenen Klassen unserer Schule zum Thema Aidsprävention bereits durchgeführt haben, zeigt. Auch die neunte Klasse der Erich-Kästner-Förderschule aus Ladenburg war schon zu Gast bei uns und machte den Workshop unter Anleitung unserer SchülerInnen. Die Rückmeldungen der teilnehmenden Jugendlichen waren und sind durchgehend positiv. (...) Es zeigte sich, dass die Wissensvermittlung durch Gleichaltrige sehr gut gelingt. Ich bin davon überzeugt, dass sich diese Ausbildung nachhaltig positiv auf das direkte Umfeld, den Freundeskreis und das eigene Leben der Teenager auswirken wird. Ich hoffe sehr, dass auch weiterhin möglichst viele Jugendliche, besonders auch aus den Hauptschulen, die Chance auf eine solche Ausbildung erhalten.

Quelle: Schreiben an die Projektleitung A. Staudt

Jasmin

Ich heiße Jasmine und  bin am 2. Januar 1994 in Reutlingen geboren. Meine Eltern kommen aus Kinshasa im Kongo. Sie sind wegen der Diktatur Mobutu’s aus politischen Gründen aus dem Kongo geflohen. Zuerst kam am 5. Januar 1990 mein Vater nach Deutschland. Er beantragte Asyl und dem wurde stattgegeben und er bekam die Aufenthaltserlaubnis. Im März 1993 kam meine Mutter nach.

Von Reutlingen zogen wir nach Heidelberg, denn mein Vater fand Arbeit als Industriemechaniker bei John Deere. Ich hab einen Bruder, der ist 15 und eine Schwester, die ist fünf Jahre alt.

Als ich in der 4. Klasse war, zogen wir nach Mannheim, weil es meinem Vater zu stressig wurde zwischen Heidelberg und Mannheim zu pendeln. In der 5. Klasse ging ich auf die Konrad Duden Realschule in Mannheim-Rheinau.

In der Schule wollte ich von Anfang an immer irgendwo dabei sein. Ich habe in vielen AG’s mitgemacht. Aber nicht alles ist mir gelungen. In der Schauspiel AG bekam ich nicht die Hauptrolle, weil ich zu schüchtern und zu leise war. Dann hab ich in der Hockey AG mitgemacht, das hat richtig Spaß gemacht, aber irgendwann hatte ich keine Lust und keine Zeit mehr. Dann fing ich an mit Hip Hop, das hat mit Spaß gemacht aber die AG wurde dann nicht mehr angeboten und die große Langeweile kam wieder. Volleyball und Basketball AG’s folgten, aber der Zeitaufwand wurde zu groß. Ab der sechsten, siebten Klasse wollte ich Klassensprecherin werden. Aus Beliebheitsgründen wurden leider immer andere gewählt. Dann war ich eine Zeitlang eingeschnappt und dachte ich mach gar nichts mehr.

In der achten Klasse wurden aus zwei Klassen drei gebildet und ich kam in die neugebildete Klasse. Da wir bunt zusammengewürfelt waren, lies der Klassenlehrer, diejenigen die Klassensprecher werden wollten, einen Steckbrief erstellen und eine Präsentation vorbereiten. Da ich mit der Sache abgeschlossen hatte, bereitete ich nichts vor. Am Tag der Präsentation kamen meine Mitschüler auf mich zu und motivierten mich es doch durchzuziehen. Ich hatte nichts vorbereitet, das war ziemlich peinlich. Ich sprang ins kalte Wasser und erzählte drauf los. Ich gewann die Sympathien meiner Mitschüler und wurde Klassensprecherin. Dann wurde Frau Staudt angekündigt. Bei einem Treffen in der Schule sollte sie ein Projekt vorstellen, in dem wir lernen sollten andere Schüler über HIV und AIDS aufzuklären.

Mich hat das Thema interessiert und ich hab gemerkt, dass ich gar nichts darüber weiß. Darum habe gleich im Internet recherchiert. Ich fand heraus, dass der Virus über Affen auf den Menschen gekommen ist. Bei dem Treffen mit Frau Staudt, hab ich sie gleich danach gefragt und sie konnte mir die Quellen bestätigen. Ich wollte unbedingt in der Gruppe mitmachen, weil ich mich engagieren wollte – und ich dachte mir, wenn ich nichts darüber weiß, wissen andere in meiner Altersklasse auch nichts und das wollte ich ändern. Je mehr ich durch die Ausbildung über das Thema lernte, erfuhr ich auch, dass Afrika ziemlich stark betroffen ist. Es machte mich als Afrikanerin sehr betroffen, dass ich so wenig über die Krankheit im eigenen Land gewusst hab. Meine Motivation die Ausbildung durch zu ziehen, verstärkte sich dadurch umso mehr. Ich wählte das Thema auch für meine Fächer übergreifende Kompetenzprüfung (FÜK). Wir waren ein Team von 5 Mädchen die eine Präsentation zum Thema HIV und AIDS machen wollten. Die Lehrer fanden unser Team zu groß für dieses Thema und außerdem war eine dreier Gruppe von Jungs auch noch auf das Thema scharf. Wir dachten, die Jungs hätten die besseren Chancen, da sie ja zu dritt waren. Aber wir kämpften! Frau Staudt half uns das Thema sinnvoll zwischen fünf Personen aufzuteilen und wir hatten die besseren Kontakte: die Aidshilfe, Mike Ludwig als HIV positiven Menschen und Dr. Buchholz von der Uniklinik Mannheim. Und wir schafften es! Wir machten unsere Präsentation zu fünft und wir überraschten die Lehrer!

Die hatten gedacht der Stoff reiche nicht aus für fünf Personen, aber wir überzeugten Sie und hätten noch viel mehr erzählen können, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten. Wir bekamen Einser und Zweier Noten und waren sehr stolz auf uns!

Als wir unsere Mitschüler in der Schule informieren sollten, wurde das Präventionsteam geteilt in zwei Gruppen die parallel arbeiten, ein Team informierte die Mädchen, das andere die Jungs. Ich war in dem Team, das die Jungs aufklärte. Ich hatte beim ersten Mal total Angst. Aber das war unbegründet, wir haben es gut rübergebracht. In einer Prävention gab es einen Jungen vom Typ „Besserwisser“. Er demonstrierte wie er das Kondom benutzt und riss es mit den Zähnen auf. Ich legte meinen Arm um ihn und sagte: „Genauso sollte man es nicht machen! Da man das Kondom beschädigen kann, wenn man es mit den Zähnen aufreist.“ Alle lachten und er auch. Dann habe ich ihm erklärt wie er es richtig machen soll.

In den Präventionen hat sich mein Wissen erweitert und ich habe gelernt, dass ich keine Angst haben muss vor dem Präsentieren und über Sex zu reden. Ich bekomme auch immer Rückmeldungen, dass es gut ist, was ich mache. Viele finden auch, dass ich besser über Sexualität reden kann als zum Beispiel ältere Menschen, die total verklemmt sind, wenn es um das Thema geht.

Wir haben angefangen jede Woche Spenden zu sammeln, Infomaterial von der BZgA zu verteilen, Teddybärchen zu verkaufen. Früher war ich extrem schüchtern, aber jetzt habe ich einfach Leute angesprochen und Werbung gemacht. Denn wenn man dabei nur dumm rumsteht, dann kommt keiner auf dich zu. Wenn man lächelnd auf die Leute zugeht, macht man Sympathiepunkte und die Leute geben ein paar Cent. Und wenn man einen Korb bekommt, macht man trotzdem einfach weiter. Frau Staudt hat das Geld an das Kinderdorf für Aidswaisen „Amani Orphan’s Home“ in Tansania gespendet und wir bekamen einen Dankesbrief.

Als ich mit meinem Ex-Freund eines Tages über Sex gesprochen habe, meinte er, da er schon mehr Erfahrung hatte als ich, dass Mann es mit einem Kondom nicht spürt und er deswegen mit mir ohne Kondom schlafen will. Das war wie ein rotes Tuch für mich. Ich sagte: „Entweder mit Kondom oder gar nicht!“ Also ich will noch sagen, dass ich heute noch Jungfrau bin.

Jetzt bin ich an einer neuen Schule, am kaufmännischen Berufskolleg in Schwetzingen. Dort haben sie am Weltaidstag auch eine Aktion gemacht, die durch die BWL Lehrerin organisiert wurde. Das erinnerte mich an die Zeit, als ich das an meiner alten Schule selbst gemacht habe und fand es cool.

Frau Staudt lud mich letztes Jahr im Dezember ein bei der Zertifikatsübergabe der neu ausgebildeten Teams eine Rede zu halten. Das machte mich stolz, vor den versammelten Politikern wie der Bürgermeisterin Frau Dr. Freundlieb, den ganzen Schulleitern und der anderen Prominenz zu reden. Ein Freund aus München, der dort Politik studiert, hatte mir beim Aufbau der Rede geholfen und fand es total toll, dass es so ein Projekt in Mannheim gibt und dass man das auch in München machen sollte. (...) 

Aufgezeichnet von A. Staudt

Sabrina

Ich heiße Sabrina und bin am 18.09.1998 in Karlsruhe geboren. Ich bin die einzige Tochter meiner Eltern. Meine Eltern sind heute noch zusammen. Mein Vater arbeitet im Forschungszentrum für Technologie (KIT) in Karlsruhe und meine Mutter leitet einen Kindergarten. Ich gehe auf die Realschule Neureut in die 8. Klasse. Ich bin eine durchschnittliche gute Schülerin. Die Fächer, die ich mag sind MUM (Mensch und Umwelt), Sport, Mathe und Naturwissenschaften. Ich bin von meinem Wesen her ein eher schüchterner Mensch. Ich verbringe viel Zeit im Internet, in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Skype. Meine beste Freundin ist aus meiner Klasse und macht auch mit im Verhütungsexperten-Team. Als Frau Staudt das Projekt in unseren Klassen vorgestellt hat, fand ich es sehr interessant. Ich finde es ganz wichtig zu wissen, wie man sich infizieren und schützen kann, weil ich mich selbst nicht mit HIV anstecken möchte. Wegen meiner schüchternen Art, fällt es mir oft nicht leicht mich zu zeigen und in der Schule Präsentationen zu machen. Ich sehe in der Ausbildung für mich eine Chance meine Schüchternheit zu überwinden und zu trainieren auf andere Menschen zuzugehen und sicherer zu werden. Was mir noch gefallen hat, ist, dass man nach der Ausbildung ein Zertifikat bekommt, dass einem bei einer Bewerbung bei Arbeitgebern Pluspunkte gibt. Das waren für mich die Gründe mich für die Aufnahme ins Verhütungsexperten Team zu bewerben.

In der Ausbildung fand ich gut, dass wir uns mit Dr. Buchholz getroffen haben, der uns viele interessante Fakten zu dem HIV gegeben hat, auch viele Infos, die man sonst nicht so weiß, z.B. wie viele Menschen weltweit infiziert sind. Dass wir Mike Ludwig, der HIV positiv ist kennengelernt haben, fand ich beeindruckend. Er wirkte sehr selbstbewusst auf mich, wie er sich hingesetzt und von seiner Krankheit erzählt hat, weil selbst gesunde Menschen, das sich oft nicht trauen so aufzutreten. Ich würde mich das nicht trauen, wenn ich HIV positiv wäre, weil ich Angst hätte, dass die anderen über mich lachen – nicht nur über die Krankheit auch wie ich aussehe und mich verhalte.

(...)

Aufgezeichnet von A.Staudt